Im Jahre 1558 hat Churfürst August in der sogenannten Ottendorffer Haide eine Stunde von Sebnitz eine große Jagd gehalten und ist ihm auf dem steilen sogenannten kleinen Winterberge ein überaus großer Hirsch zugetrieben worden, den er zu Fuß verfolgt hat, um ihn zum Schuß zu bringen.
Nachdem nun erwähntes Stück Wild sich auf einen hohen Felsen, dessen oberste Fläche kaum 30 Schritte im Umfange hält, während die Höhe nach unten wohl etliche 100 Klafter beträgt, überdies dahin neben einem noch viel höheren Felsen ein nur ohngefähr eine Elle breiter Pfad führt, geflüchtet, und wegen der entsetzlichen Kluft, so zwischen diesem und den umliegenden Felsen vorhanden, nicht weiter setzen können, hat es Miene gemacht, sich wieder dahin zu wenden, wo es hergekommen und sein Leben durch anderweite Flucht zu retten, da hat ihm Se. Churf. Durchlaucht mit aufgeworfener Büchse den Paß verrennt.
Sonder Zweifel wäre es aber um das Leben des Churfürsten geschehen gewesen, da der Hirsch ihn sicherlich den Felsen hinuntergestürzt hätte, hätte derselbe als ein in allen Arten ritterlichen Künsten wohl erfahrener und gewandter, beherzter Herr nicht seinen Entschluß gefaßt und unter den Worten: „entweder ich treffe dich, oder du bringst mich um’s Leben“, losgedrückt, und zwar mit so glücklichem Erfolge, daß der Hirsch, indem er getroffen ward, einen Satz in die Höhe that und rücklings den Felsen herabstürzte, an dessen Fuß er ganz zerschmettert gefunden ward.
Zum ewigen Gedächtniß dieser wunderbaren Errettung des Churfürsten hat aber sein Herr Sohn, Churfürst Christian, nicht allein an dem Orte, wo der Hirsch gefällt worden, eine 3 Ellen hohe und 1½ Ellen breite steinerne Tafel mit ausgehauenem Churf. Sächs. Wappen und beigefügter Jahreszahl 1558 setzen und dem erhöhten Absatze des Felsens den Namen Augustus nebst nochmaliger Jahreszahl 1558 anschreiben, sondern auch auf dem erwähnten ohngefähr 15 Ellen höher gelegenen Felsen ein Jagdhaus erbauen und zu oberst auf dem Dache das Geweihe des Hirsches aufrichten lassen.
Dieses Häuschen ist späterhin in Verfall gekommen und dafür 1818 der noch jetzt stehende achteckige Pavillon gebaut worden.
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Autor: | |
Titel: | Das Wetterhäuschen auf dem kleinen Winterberge |
aus: | Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 174–175 |