Auf dem Dippoldiswaldaer Platz bildet die Ecke der großen Oberseergasse und Reitbahngasse ein Gasthof, genannt das Trompeterschlößchen, wo an der abgeschnittenen Ecke am zweiten Stock ein vergoldeter Trompeter zu Pferde abgebildet ist mit der Unterschrift:
Trompeterschlößchen nennt man mich,
Des Krieges Wuth empfand auch ich,
Es warf mich unverhofft ein tödtend Feuer nieder,
Allein ich stehe nun durch Gottes Gnade wieder. 1764.
Der Platz dieses Hauses war schon 1451 mit dem Jakobshospital überbaut, und später hielt die Garde du Corps hier ihre Fahnen- und Arrestantenwache. Indeß kann das Haus offenbar von diesen seinen frühern Bewohnern nicht erst den Namen Trompeterschlößchen erhalten haben, sondern derselbe muß älter sein, wie auch schon aus dem obenstehenden Reim hervorgeht. Die Sage erzählt uns also darüber folgende merkwürdige Geschichte.
Vor langen Jahren lagen auf der Fläche, wo sich jetzt das herrliche Dresden an den beiden Ufern der Elbe ausbreitet, nur zwei kleine Dörfchen, deren Einwohner sich kümmerlich vom Fischfange nährten und von deren Dasein jetzt nur noch der Name der Fischergasse in der Altstadt und des sogenannten Fischerdorfs in der Wilsdruffer Vorstadt Zeugniß giebt.
Rings um dieselben war sonst ein dichter Wald und Alles gehörte den mächtigen Burggrafen von Dohna, die hier auch ein Jagdschloß erbaut hatten, welches sie zuweilen zu bewohnen pflegten, um hier dem Waidwerk und andern Lustbarkeiten obzuliegen. Mit der Zeit wuchsen aber jene kleinen Dörfer so an Umfang, daß bald der ganze Raum, der früher zwischen ihnen und dem genannten Jagdschlosse existirt hatte, angebaut war.
Aber auch die Burggrafen von Dohna waren immer mächtiger geworden, und so kam es, daß sie sich nicht mehr begnügten, mit ihren Nachbarn, deren keiner ihnen die Spitze bieten konnte, in ewigem Kampfe zu liegen, um sich durch deren Besitzungen zu bereichern, sondern sich sogar gegen ihren Lehnsherrn, den König Bogislaus (II.?) von Böhmen, auflehnten. Allein dies bekam ihnen schlecht, derselbe zog mit großer Heeresmacht gegen sie, schlug sie im offenen Felde, brach ihre Burgen und vertheilte ihre Güter an seine Günstlinge und Vasallen.
Seit dieser Zeit stand auch jenes Jagdschloß leer und ward, da Niemand sich um dasselbe zu kümmern schien, zur Ruine. Nun ging aber durch jene Dörfer eine sehr besuchte Heerstraße nach der hölzernen Elbbrücke, welche die Burggrafen von Dohna schon um 840 gebaut haben sollen, auch dort ihr Wappen, zwei über einander geschrenkte Hirschstangen aufgestellt hatten und einen Zoll von ihr erhoben, und so kam es, daß in den Dörfern viel Einkehr war, da viele Fuhrleute hier des Nachts rasteten und erst am andern Tage die Elbe überschritten.
Da war auch besonders ein Wirth mit Gästen gesegnet, so daß sein Haus bald zu klein für die zahlreichen Besucher ward und er manchen Fremden, von dem er sich einen guten Gewinn versprach, abweisen mußte. Dies wurmte aber den habsüchtigen Schenkwirth sehr, und darum fand der Rath eines Nachbarn, er möge doch versuchen, das ihm gegenüberliegende, unbenutzt stehende, verfallende geräumige Jagdschloß von dem jetzigen Herrn des Waldes zu erwerben und seine Wirthschaft dahin zu verlegen, bei ihm günstiges Gehör.
Er begab sich auch sofort nach Lohmen, wo derselbe hauste, erkaufte das Schloß für einen sehr billigen Preis, und rastete auch keinen Augenblick, bis dasselbe wieder in gutem Stande und zur Aufnahme möglichst vieler Gäste eingerichtet war, so daß er bald den Einzugsschmauß daselbst halten konnte. Den Tag vorher mußte er aber leider von dem boshaften Nachbar hören, daß er nur darum so billig zu dem Hause gekommen sei, weil es darin umgehe und Niemand von den bösen Geistern, die hier ihren Wohnsitz aufgeschlagen, gelitten werde.
Indeß ließ sich der neue Eigenthümer das wenig anfechten, hielt seinen Einzugsschmauß und setzte sowohl hier, als in seiner alten Wirthschaft, die er zur Aushilfe ebenfalls beibehalten hatte, so viele Gäste als er nur konnte, und lange hörte man nichts von Spuk oder Gespenstern. Da trug es sich eines Tages zu, daß ein Ritter mit seinem Knappen noch Aufnahme verlangte, als beide Häuser schon völlig mit eingekehrten Fuhrleuten angefüllt waren.
Unser Wirth erklärte ihm daher, er vermöge ihm kein besonderes Gemach mehr zu geben, es sei denn daß er in einem alten Saale bleiben wolle, der voll werthlosen Gerülles sei und zugleich als Getreideboden benutzt werde. Der Ritter, der bei sinkender Nacht nicht weiter wollte, auch froh war, ein Plätzchen zum Ausruhen von langer Reise zu finden, willigte ein, und so führte ihn denn sein Wirth, nachdem er ein gutes Abendbrod zu sich genommen, hinauf in den Saal, ließ ihm eine Lampe zurück und ging seines Wegs.
Freilich gefiel dem Ritter jetzt das gewählte Schlafzimmer nicht besonders, allein was half’s, er mußte gute Miene zum bösen Spiele machen; er warf sich also auf das ihm bereitete Lager, ohne jedoch die Lampe auszulöschen, und schlief, da er nach verschlossener Thür vor jeder Störung sicher zu sein meinte, ruhig ein. Plötzlich wachte er von einem ihm unerklärlichen Lärmen auf, er vernahm ein Laufen, Scharren und Poltern auf der Treppe und an der Thüre, daß es ihm ganz ängstlich zu Muthe ward und er sein Schwert ergriff, um jeden unberufenen Eindringling damit muthig zu bekämpfen.
Siehe da stand plötzlich eine in ein Leichentuch gehüllte Gestalt vor ihm, die ihn mit hohler Stimme fragte, ob er zum Tanze aufspielen könne, und als der Ritter diese Frage für Spott haltend dem gespenstigen Besucher mit seinem Schwerte drohte, so berührte ihn dieser mit kalter schwerer Todtenhand, daß er sich nicht rühren konnte, fragte ihn noch zum zweiten und dritten Male dasselbe, und als er endlich mit Nein antwortete, so ging der Geist traurig von dannen.
Mittlerweile verlor sich zwar der Lärm und das Poltern, aber der Ritter hielt es auch keine Minute länger zwischen den vier unheimlichen kahlen Wänden des düstern Saales aus, er eilte die Treppe hinab, rief den Wirth und die schlafenden Gäste wach und erzählte, was ihm begegnet war. Nichts half es, daß jener betheuerte, noch nichts von solchem Spuk vernommen zu haben, alle seine Gäste brachen auf, und wollte er nicht allein in dem Gespensterschlosse bleiben, so mußte er ihnen wohl folgen.
Er zog also wieder in sein altes Haus zurück und mußte froh sein, daß wenigstens hier noch der alte lebhafte Verkehr blieb, denn in das andere brachte er Niemand mehr, zumal da einige muthige Burschen, welche es über sich genommen hatten, das Schloß zu durchsuchen, ob nicht etwa lebendige Geister dasselbe bewohnten, als sie in einen unbenutzt gebliebenen Keller gekommen und darin eine bisher noch nicht gesehene Thüre entdeckt hatten, die sich jedoch nicht öffnen ließ, zwar die Keckheit gehabt hatten, dieselbe einzuschlagen, aber auch, ehe sie noch in den von derselben verdeckten Raum eingetreten waren, eine schwarze Gestalt auf sich zukommen sahen, die ihnen bei ihrem Leben gebot, sich zu entfernen und nicht die Ruhe der hierher gebannten abgeschiedenen Seelen zu stören.
So blieb das Spukhaus manches Jahr lang unbewohnt und verlassen stehen und sein Besitzer ärgerte sich, wenn er es ansah, denn Alles, was er für dasselbe gezahlt und hineingewendet hatte, war verloren, da Niemand es kaufen wollte und er selbst doch auch keinen Gebrauch davon machen konnte. Da begab es sich eines Tages, daß das Wirthshaus wieder von oben bis unten mit Gästen gefüllt war und der Wirth alle, die noch um Herberge baten, fortschicken mußte.
Endlich kam auch ein Trompeter des Wegs geritten, der einsprechen wollte und sich nicht abweisen ließ, sondern für sich und sein todtmüdes Roß Labung und Aufnahme verlangte. Nichts half es dem Wirth, daß er seinem neuen Gaste die Unmöglichkeit seines Verlangens vordemonstrirte, derselbe bestand darauf hier zu bleiben, und endlich meinte jener, er könne ihm wohl noch ein Plätzchen zum Ausruhen anbieten, allein dies sei im Spukhause; wenn er sich vor Geistern nicht fürchte, so möge er dort bleiben.
Der muntere Trompeter ließ sich vorerst die ganze Geschichte erzählen, lachte sich eins und sagte zuletzt, an Geister glaube er nicht, die Todten kämen doch nicht wieder, und vor lebenden Störern solle ihn sein Schwert schützen, der Wirth möge ihm nur ein Fäßchen seines besten Bieres geben, ihm ein Lager zurecht machen lassen und mit Licht versehen, so sei er bereit, allein in dem öden Schlosse zu übernachten.
Obwohl ihn nun der Wirth nochmals gewarnt und ihm zugleich auch die Versicherung gegeben hatte, daß, wenn er einmal das Schloß betreten habe, er auch vor Tagesanbruch nicht wieder herausdürfe, so ließ er sich doch nicht irre machen, sondern forderte den Wirth auf, ihm das Versprochene zu geben und ihn sodann in den gespenstigen Saal zu bringen.
Jener ließ sich auch bereit finden, trug ihm ein bequemes Ruhebett, Bier und Licht hinüber, verschloß aber, nachdem er ihm gute Nacht gewünscht, das Schloß, und so sah sich der Trompeter bald allein. Nachdem er sich in dem Saale umgeschaut, die Thüren, wie er meinte, fest verschlossen, ja zu besserer Sicherheit mit altem Gerülle, das er hier fand, verrammelt hatte, warf er sich auf sein Lager, um zu schlafen.
Allein sei es, daß er zu ermüdet, oder doch etwas aufgeregt war, der Schlaf wollte nicht kommen, er mochte sich bald auf diese und bald auf jene Seite legen. Er stand also wieder auf und nahm seine Trompete zur Hand, um sich mit Blasen die Zeit zu vertreiben. So kam die Mitternacht heran, und noch hatte sich im ganzen Hause kein Laut hören lassen, siehe, da ertönte auf einmal mit dem Schlage zwölf von unten herauf ein immer lauter und näher kommendes Getöse, die Schritte vieler Personen schallten die Treppe herauf, lautes Geräusch ließ sich vor dem Saale hören, und wie der Trompeter eben aufspringen wollte, um dem Spuke entgegenzugehen, da sprangen die Thüren von selbst auf, und herein traten zwölf Paare von Todtengerippen, die Leichentücher um ihre nackten Gebeine geschlagen.
Sie zogen hinter einander mehrmals in dem Saale herum und schienen sich zuweilen förmlich nach einem gewissen Tacte zu bewegen. Da ward dem Trompeter ganz ängstlich zu Muthe, er wußte nicht, was er machen sollte, griff fast unwillkürlich zu seinem Instrumente und begann ein lustiges Stücklein zu blasen. Das schien den unheimlichen Besuchern sehr zu gefallen, sie nickten ihm Beifall zu und begannen sich nach der Musik herum zu drehen.
Der gezwungene Musiker blies nun wacker darauf los, aber je schneller er blies, desto rasender flog der gespenstige Reigen, und als er endlich erschöpft aufhören wollte, da machten ihm die höllischen Tänzer so drohende Zeichen, daß er alle Kräfte sammelte und ein Stück nach dem andern aufblies. Endlich, eben wie er daran war, vor Ermüdung umzusinken, da hörten die tollen Tänzer plötzlich von selbst auf, einer aus ihrer Mitte trat zu ihm heran und sprach: „Fremdling, wir danken Dir, Du hast durch Dein Blasen die Bedingung erfüllt, welche allein es uns gestattet, zum ewigem Schlaf einzugehen; von dieser Stunde an werden die Räume dieses Hauses von uns nicht mehr unsicher gemacht werden.“
Bei diesen Worten schlug es Eins, und in demselben Augenblick stürzten auch sämmtliche Knöchler in Staub zusammen; aber auch der Trompeter verlor das Bewußtsein und erst das durch die Fenster dringende Sonnenlicht weckte ihn aus seiner Betäubung. Das Erste aber, was er that, als er wieder zu sich kam, war, daß er aus voller Brust zum geöffneten Fenster hinaus ein frommes Danklied zu dem hinaussendete, der ihn in dieser Nacht so wunderbar in seinen Schutz genommen.
Das Trompetengeschmetter weckte aber den Wirth und seine Gäste im alten Hause aus dem Schlafe, Alle eilten herbei, um den von ihnen schon todtgeglaubten Geisterverächter zu sehen, und als derselbe nun das Geschehene berichtet und das Häuflein Asche die Wahrheit der Erzählung bezeugt hatte, da wußte sich der Wirth vor Freude kaum zu lassen und bot dem Trompeter an, so lange er lebe, bei ihm zu bleiben und auf seine Kosten zu leben.
Der aber nahm es nicht an, sondern beanspruchte nur sein Fäßlein Bier als sauer verdienten Lohn, der dankbare Wirth jedoch gab ihm nicht blos den versprochenen Preis, sondern auch noch ein tüchtig Stück Geld, damit er sich in seiner Heimath ein sorgenfreies Loos gründen könne. Zum Andenken aber ließ er das Bild des Trompeters in Stein hauen und in die obere Wand des nun wieder bewohnbaren Hauses setzen, welches von dieser Zeit an bis auf heute noch davon das Trompeterschlößchen genannt wird.
Autor: | |
Titel: | Das Trompeterschlößchen zu Dresden |
aus: | Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 97–103 |
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