¾ Stunde von Königstein, hart am rechten Elbufer gelegen, ein alter Rittersitz, dem bis hierher auch die Gerichtsbarkeit über die Dörfer Waltersdorf, Porschdorf, Altendorf und Wendischfähre zustand. Die Schriftsässigkeit erhielt das Gut erst im Jahre 1691.
Dieses Prossen besass einst der Bruder des Pegauer Abtes Thammo, welcher hier seine Tage beschloss. Nur vom Jahre 1263 bis 1266 hatte derselbe dem Kloster Pegau vorgestanden. – Die spätere Geschichte vom Rittergute Prossen ist dunkel und unvollständig. Erst vom 16. Jahrhundert an kommt wieder eine sichere Kunde vor.
Im Jahre 1520 besass dasselbe Christoph Brill, von welchem es an die Herren von Parzifall kam, die es noch im Jahre 1600 besassen. Im Jahre 1559 mussten die Gebrüder Melchior und Georg von Parzifall als Besitzer von Prossen für immer auf die Sau- und Rehjagd Verzicht leisten.
Im Jahre 1615 waren im Besitze von Prossen die Rahnitzsch, die es 1630 an Rudolph von Bünau verkauften, der es seinem Sohne Rudolph im Jahre 1654 hinterliess. Von Letzterem erkaufte es im Jahre 1688 Caspar von Schönberg auf Purschenstein, welcher es im Jahre 1690 an Johann Leon von Lüttichau überliess. Schon im Jahre 1696 war Johann Rudolph Graf von Prössnig im Besitze desselben, von diesem kaufte es Hannibal von Lüttichau zu Ulbersdorf, bei dessen Nachkommen es noch im Jahre 1786 war. Im 19. Jahrhundert kam die Besitzung an die Herren von Oppel, von welchen es der Amtshauptmann zu Borna, Herr Friedrich Wilhelm von Oppel zuletzt besass.
Prossen ist bekannt durch den sogenannten Prossener Mann, der im Jahre 1785 hier lebte und um die Zeit des siebenjährigen Krieges als ein Prophet galt. Er hiess Christian Häring, war früher in seinem Geburtsorte Postelwitz Fischer und zog um’s Jahr 1746 nach Prossen. Er hatte in seiner Jugend kaum Lesen und Schreiben gelernt und war in allen übrigen Kenntnissen, besonders in der Geographie und Politik ganz zurückgeblieben; und doch stand derselbe in dem Wahne, in späteren Jahren die bedeutendsten Wendungen der Welthändel, besonders in Bezug auf Sachsen vorauszusehen. Er wurde, wie er behauptete, dergestalt vom Geiste der Zukunft angetrieben, dass er nicht eher Ruhe in seinem Kopfe fand, bis er sein Herz höheren Orts ausgeschüttet hatte. Eine solche Ausschüttung erfolgte zum ersten Mal vor dem Ausbruche des Krieges 1744 und dann häufiger vor und nach dem siebenjährigen Kriege. Er fand, begünstigt von den damaligen Ministern, Eingang und hielt sich oft Wochen lang in Dresden auf.
Er war nichts weniger als absichtlicher Betrüger, sondern blosser Schwärmer, denn er behauptete, künftige Schlachten in Prospecten zu sehen, warnende Stimmen zu hören und eine schweigende Unruhe im Innern zu empfinden. Seine Vorhersagungen scheinen wenig eingetroffen zu sein, wiewohl man meinte, er habe die Kesselsdorfer Schlacht, den Finkenfang, die Belagerung Dresdens u. s. w. lange vorher gesagt.
Jetzt besitzt Prossen Herr Friedrich Brockhaus aus Leipzig. Zum Rittergute gehören eine Ziegelei und zwei Schäfereien, die eine auf der Prossener Folge, die andere die Sellnitz genannt, in der Richtung vom Dorfe zum Lilienstein, am Fusse des letzteren gelegen. Die Schäferei auf der Folge und die Mühle sind nach Porschdorf, das übrige Dorf ist seit 1837 nach Waltersdorf eingeschult. Die Sellnitz, von den Wenden erbaut, mag wohl das älteste Dorf in hiesiger Gegend gewesen sein. Seit der Zerstörung desselben durch die Kroaten im dreissigjährigen Kriege, wahrscheinlich 1633, steht hier ausser der Schäferei nur noch ein zum Gemeindebezirk Waltersdorf geschlagenes Haus. Die südlich von Prossen gelegene und jetzt zu ihm gehörige Elbinsel ist ein Stück der Königsteiner Communwaldung, welches der Fluss von ihm losgerissen hat. Von Prossen sieht man, wie die Abbildung deutlich darthut, den König- und den Lilienstein und das Ganze bietet eine herrliche Landschaft.
Prossen ist nach Königstein eingekircht. Die ganze Parochie besteht bekanntlich aus 16 Ortschaften, von welchen 10, nämlich Königstein, Gorisch, Pfaffendorf, Hütten, Elbe, Strand, Nikolsdorf, Thürmsdorf, Weissig und Oberrathen auf dem linken, 6, nämlich Halbstadt, Ebenheit, Niederrathen, Waltersdorf, Porschdorf und Prossen auf dem rechten Elbufer liegen.
Von den der Gerichtsbarkeit Prossen unterworfen gewesenen Dörfern ist Porschdorf an dem vereinten Lachs- und Polenzbache, bekannt durch den dasigen Lachsfang, welcher früher viel bedeutender war als jetzt.
Die Lachse gehen wegen des süssern Wassers aus der Elbe in diesen Lachsbach, streichen darinnen ab, setzen den Saamen zu Lachsforellen an und steigen zuweilen bis Hohnstein oder bis Sebnitz hinauf. Dieser Lachsfang auf der mit der Sebnitz zum Lachsbache vereinigten Polenz war schon zu Albins Zeiten so ergiebig, dass oft in einem Jahre an 300 Lachse gefangen wurden. In der bekannten Grenzbezeichnung zwischen Böhmen und Sachsen vom Jahre 1228 heisst die Polenz der Fluss Poliza. In der Folge wurde darauf auch Holz geflösst, welche Flösse im Jahre 1730 bis 1740 wieder einging. Ferner der Ort:
Wendischfähre liegt am Wege von Schandau nach Hohenstein beim Einfluss des Lachsbachs in die Elbe, also auf deren rechtem Ufer. Der Ort hat seinen Namen von der hier angelegten Fähre erhalten, mittelst welcher die Lausitzer Wenden zu dem Gnadenbilde in der Papstdorfer Kapelle wallfahrteten.
Altendorf ferner hatte in früheren Zeiten seine besonderen Besitzer; denn im Jahre 1589 wurde Hans von Parzifall mit Altendorf beliehen. Im Jahre 1621 kaufte es Hans Ranitzsch auf Prossen, von welcher Zeit an der Ort bei Prossen geblieben ist, sowie auch Waltersdorf bisher unter die Gerichtsbarkeit von Prossen gehörte.
Waltersdorf liegt 1¼ Stunde vom Königstein, östlich vom Lilienstein, westlich von dem an Schönheit der Aussicht mit der Bastei fast gleich zu stellenden Brande, südlich von Ziegenrück, über welchen ein steiler Felsenweg nach Hohenstein und Stolpen führt. Bemerkenswerth ist auch hier das neue, erst im Jahre 1830 vollendete schöne Schulhaus, welches jetzt von 39 Waltersdorfer und 17 Prossener Kindern, 26 Knaben und 30 Mädchen besucht wird.
Vor einigen Jahren wurde der Vorschlag gemacht, dass Walthersdorf zum Kirchorte erhoben und das Königsteiner Diaconat als Pastorat dahin versetzt werden möchte. Bis jetzt ist dieser Vorschlag noch nicht zur Verwirklichung gebracht worden; allein es durfte wohl solcher noch festgehalten und als vortheilhaft betrachtet werden. Prossen hat 16 Feuerstätten, 1 Gartengut, dessen Besitzer Lehnsmann der Königsteiner Kirche ist, eine neue schöne Mühle am Lachsbache und 14 von Steinbrechern und Schiffern bewohnte Häuser. Prossen gehört jetzt zum Gerichtsamte Schandau, zum Bezirksgericht Pirna, zur Amtshauptmannschaft letzterer Stadt.
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Autor: | |
Titel: | Prossen |
Quelle | Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 149–150 |
Herausgeber: | Gustav Adolf Poenicke |
Erscheinungsdatum: | 1856 |